Dienstag, 9. Dezember 2014

Bipolar: Zwischen den Phasen

In einem klassischen Lehrbuch oder Artikel wird die bipolare Erkrankung immer
als Wechselspiel der beiden Anteile Manie und Depression vorgestellt.
Die Zeiten zwischen diesen Phasen werden dabei immer mit einer geraden Linie ( keine Depression, keine Manie) über die Zeitachse  dargestellt, in dieser Zeit ist der Erkrankte angeblich ohne typische Symptome dieser so widersprüchlichen Krankheit.
Der Abstand zwischen den einzelnen Phasen fließt in die Diagnostik ein, je häufiger die Phasen wechseln spricht man dann von Rapid Cycling oder Ultra Rapid Cycling.
Wesentlicher Bestandteil des Krankheitsbildes sind also wechselnde Phasen von manischen und depressiven Schüben, die in unterschiedlichen Zeitabständen erfolgen können.

Die Zeitspanne zwischen den Phasen ist aber oft nicht frei von anderen Symptomen und auch die so deutliche Abtrennung von unauffälligen Phasen und manischen oder depressiven Phasen stimmt nicht immer.

Ausnahme 1:
Es ist gar keine sogenannte "normale Phase" vorhanden sondern
es tritt:

nur manisches Verhalten über einen langen Zeitraum
oder nur eine Depression über einen langen Zeitraum auf

Dies kann in beiden Fällen mit und ohne Auftreten der jeweils anderen Verhaltensweisen geschehen,
also z.B. immer leicht manisch und ab und zu eine Depression usw.

Vor allem eine sehr leichte Hypomanie (ohne "gesellschaftliche" Ausrutscher) wird so oft nicht erkannt, gleiches gilt für eine lang anhaltende Depression ohne jegliche manische Phasen die dann als klassischen Depression diagnotiziert wird. (...und dann bei der Einnahme eine Antide
pressivums möglicherweise erst eine Medikamenten induzierte Manie auslöst).

Es gibt also ein, durch die Vielzahl von Krankheits verursachenden Genen und deren Kombinationsmöglichkeiten viel bunteres Erscheinungsbild der bipolaren Erkrankung.


Ausnahme 2.

Es treten immer wieder kurze und sowohl für das Umfeld als auch den Betroffenen nur schwer wahrnehmbare kurze manische oder depressive Impulse auf.
Die emotionale Grundlinie wird zwar gehalten, aber ein kurzer manischer Impuls führt dazu z.B. mit hohem Aufwand noch einmal alle Mitglieder der "Band" in einer nächtelangen Telefonaktion zusammen zu bringen. Der Impuls verschwindet relativ schnell wieder und am nächsten Tag ist es unwichtig ob diese Aktion erfolgreich war oder nicht und das alltägliche Leben geht weiter.
Dauern diese manischen Impulse einen Moment länger an, versucht der Betroffene möglicherweise an alte "Hochzeiten" wieder anzu knöpfen, also doch noch mal Selbstständig werden usw. und scheitert dann sehr schnell an den überhaupt nicht vorhanden Ressourcen oder einer durch die manischen Impulse bedingten falschen Wahrnehmung der Situation.
Weiterhin kann auch eine Depression auch mal deutlich schwächer ausgeprägt auftreten, wird nicht als solche erkannt und verschwindet nach kurzer Zeit.
Alles ist aber oft so gering ausgeprägt, dass es diagnostisch unauffällig ist, aber meiner Meinung nach deutlich zum Krankheitsbild gehört.


Ausnahme 3.

Es treten gemischte Phasen auf, in denen sowohl manische als auch depressive Elemente vorhanden sind. In diesen Zeiten hilft oft das eigene Wahrnehmungsraster nicht mehr, weil die selbst wahr- genommen emotionalen Veränderungen an sich, nicht in das klassische Verhaltensmuster von entweder manisch oder depressiv passen. Ein erhöhter Antrieb in Verbindung mit depressiven Anteilen wie z.B. schneller Erschöpfung ist schwer zu zuordnen und wird auch von Ärzten oft nicht richtig diagnostiziert, wenn es nur zu einer leichten Ausprägung kommt. Für den Betroffenen ist so
eine länger anhaltende gemischte Phase oft schwer auszuhalten, bedarf eigentlich einer anderen Medikamentengabe und das Selbstmordrisiko kann erhöht sein.
Ein typischer Satz eines Betroffenen ist:---diesmal ist es bei mir irgendwie anders..---


Ausnahme 4.

Bedingt durch einen länger anhaltenden Krankheitsverlauf, immer wieder Wechseln von manischen und depressiven Phasen kann es zu Veränderungen in der Funktionsweise des Gehirnes kommen.
Typisch sind hier:
-Konzentrationsstörungen
-Gedächtnisverluste
-Geringe körperliche Belastbarkeit
-schnelle Erschöpfung bei auch nur geringer emotionaler Belastung

Auch wenn dies der Betroffene bemerkt und seinem Arzt mitteilt, wird hier nur selten ein eindeutiger Zusammenhang dieser Beschwerden mit der Grunderkrankung mit dem betroffenen Patienten deutlich kommuniziert.
--und es ist deutlich zu unterscheiden zwischen einer ungenau formulierten Sehnsucht nach magischer Manie und den tatsächlich vorhandenen objektiven Einbußen----


Ausnahme 5.

Die oft für den Rest des Lebens notwendige sogenannte Phasenprofilaxe führt bei manchen Betroffenen zu einer anderen emotionalen Wahrnehmung von sich selbst und den Reaktionen auf ihre Umwelt. Auch hier ist das Spektrum groß, manche fühlen sich trotz Dauereinnahme von Medikamenten zwischen "den Phasen" völlig ohne Symptome und auch nicht eingeschränkt, aber natürlich können Medikamente im Bereich Phasenprofilaxe zu einer auch vom Betroffenen wahr genommenen emotionalen Verflachung, teilweiser Selbstentfremdung oder auch kognitiven Störungen führen.


Ausnahme 6.

Für viele Bipolare ist so etwas wie eine oft unbewußte Lebenssehnsucht nach manischen glücklichen Momenten, dieser unglaublichen vermeintlich zufriedenen Einheit von Körper, Geist und Seele vorhanden. Hier kann es auch in den "beschwerde freien" Phasen zu Verhaltensweisen kommen, die zum Versuch werden, das emotionale Empfindungsmuster einer Manie zumindest in Teilen ein wenig nahe zu kommen:
Dazu gehören auch der Konsum von:
Nikotin, Koffein
Alkohol
andere Drogen

aber auch bestimmte Verhaltensmuster, Tagtraumstrukturen, Einschlaftraummuster, aber auch wieder vermehrt Joggen usw..

Selbst die intensive Auseinandersetzung mit einer Idee kann schnell zu einer sehr kurzen fixen Idee werden, da unser Belohnungssystem alte manische Muster aufnimmt und dann bei intensiver Beschäftigung erhöht Glückshormone ausgestoßen werden. Dies geschieht aber nur für kurze Momente der intensiven Beschäftigung mit diesem einen Gedankenfluß, danach kommt dann wieder der Alltag. Es hat also nur eine kurze Unterbrechung im emotionalen Haushalt gegeben, die emotionale Grundlinie ist weiterhin vorhanden.
Selbst ein Aufgreifen dieser Idee nach mehreren Monaten lößt sofort wieder emotionale Belohnungsmuster aus, die anscheinend nicht mehr trennbar mit genau dieser Idee verbunden sind, wobei es durchaus mehrere sehr unterschiedliche Ideevorstellungen sein können.







Freitag, 8. August 2014

Manie Auslöser

Manien in der bipoaren Störung entwickeln sich oft nicht von allein, sondern können eine Vielzahl von Auslösern haben. Oft werden mögliche Manieauslöser sogar bewußt oder unbewußt eingesetzt wenn eine Art Suchtverlangen nach der nächsten manischen Phase vorhanden ist. Einige der genannten Auslöser können auch depressive Phasen auslösen.

Emotionale Auslöser:

Sich frisch Verlieben
Wechseljahre
Schwangerschaft
Starke emotionale Belastungen egal aus welchem Grund
Trauer
Trennungen

Äussere Auslöser:

Vermehrt Licht im Frühling oder im Urlaub
Reisen gegen die Zeitzonen
Zu wenig Schlaf
Hirnverletzungen
Arbeitsplatzwechsel
Umzug
Lichtsmog beim Schlaf
Starke Gewichtsveränderungen

Drogen:

Grundsätzlich können alle Drogen sehr schnell Phasen auslösen
auch Alkohol, Koffein und Nikotin


Medikamente:

Ritalin
Beta Blocker
Manche Antibiotika
Omega 3 Fettsäuren
Antidepressiva (z.B. Venlafaxin)

Pflanzliche Präparate:

Hashimoto
Rosenwurz
Ginko
Ginseng
Johanniskraut

Mittwoch, 6. August 2014

Vielfalt der bipolaren Erkrankung

Die bisher geschriebenen Posts zum Entstehen der bipolaren Erkrankung durch eine extreme Anpassung an klimatische Bedingungen beim Neandertaler und späterem Genfluss zum modernen Menschen erklären die Vielfalt der bipolaren Erkrankung nur in geringen Teilen.



Erklärbar sind:

Steuerung von 2 getrennt funktionierenden Verhaltensmustern
Lichtänderungen als Phasenauslöser für beide Phasen
Veränderung von Stoffwechselleistungen in den Phasen
Deutliche unterschiedliche Antriebsänderungen in den beiden Phasen
Typische Reihenfolge von fast immer sich abwechselnden Phasen
Keine willentliche Kontrolle über die Steuerung des Antriebes in beiden Phasen möglich
Deutlicher Zusammenhang zwischen bipolar und Zuckerkrankheit, möglicherweise auch Demenz
(Zuckerkrankheit als Überbleibsel nicht mehr passender Stoffwechseländerungen für einen Winterschlaf und Demenz als Folgeerkrankung (Gehirnuntersuchungen an Winterschlaf haltenden Säugern zeigen fast identische Änderungen (auch Plaques) wie bei Demenzerkrankten, nur dass diese Säuger den Vorgang wieder rückgängig machen können).

Ungeklärt sind die Bereiche:

Psychose
Starke Emotionen als Phasenauslöser
Abgrenzung von unipolarer und bipolarer Depression
Eigendynamik wechselnder Phasen im späteren Verlauf
Gemischte Phasen mit manischen und depressiven Anteilen
Geschlechterverhältnis von 2 : 1 bei der bipolaren Form mit Psychose
Geschlechterverhältnis von 2 : 1 bei der unipolaren Depression
Selbstmord


Ab jetzt wird es noch spekulativer:
Sehr viele weitere das Verhalten beeinflussende Gene lagen beim modernen Menschen bereits vor.

Beim modernen Menschen wird ein ausgeprägteres komplexeres Verhalten in Gruppen angenommen. Dafür ist auch stärkeres emotionales Empfinden notwendig. In Kombination mit den neu erworbenen Genen entwickelte sich dann daraus ein Auslösemechanismus für starke Emotionen als Phasenauslöser.
Möglicherweise war helles Licht beim Neandertaler schon mit positiv verstärkenden Emotionen besetzt, weniger Licht hatte zunächst nur eine dämpfende mit weniger gefühlten Emotionen versehene Wirkung.
Irgendwann reichte dann auch die alleinige starke Emotion, bedingt durch ein äusseres Ereignis oder emotionaler Wechselwirkung mit anderen Menschen als Phasenauslöser.

Das bunte Verhaltensspektrum in hypomanen Phasen könnte man als eine nicht geordnete Reihenfolge von Übersprungshandlungen für einen extrem hohen Antrieb sehen, der Maniker läuft einfach los und ist dann irgendwann weit weg an einem unbekannten Ort.
Die Unterschiede des jeweiligen Verhaltens werden stark von der vor handenen Psyche, der Lebensgeschichte, Verdrängtem usw. beeinflußt. Aber allem gemeinsam ist das durch den extrem hohen Antrieb verursachte Überschreiten von Grenzen aus der Sicht der Umgebung.
Der gerade in der Hypomanie Handelnde kann diese Verhaltensänderungen oft gar nicht wahrnehmen, weil er in einem mit dem ersten Verliebtsein vergleichbaren glücklich machenden Hormonausstoß lebt. Eine Reflektion des Geschehens oder eine Diskussion darüber ist aus seiner Sicht nicht nötig weil er von der einen Aktivität zur Nächsten taumelt, dass überhaupt nicht bemerkt und nicht steuern kann oder will. Er leidet an dem Genrelikt des übergroßen Antriebes aus der Eiszeit und allein das Vorhandensein dieses hohen Antriebes mit all seinen Ausprägungen macht ihn glücklich und für sein menschliches Umfeld zu einer Katastrophe.
Die Eigendynamik im späteren Krankheitsverlauf ist dann ein tatsächlich krankhaftes aus dem Ruder Laufen der rythmischen Struktur des Bipolaren, gleiches gilt auch für das Auftreten gemischter Phasen.
 

Samstag, 2. August 2014

Ursprung der bipolaren Erkrankung

Wie in den vorherigen Posts erläutert, kam es wahrscheinlich mehrfach zu  Genaustausch zwischen Neandertalern und dem sich gerade entwicklenden modernen Menschen.

Wenn nun eine Genstruktur für 2 genetisch gesteuerte Regelkreise (Jagd/Manie) und (Winterschlaf/Depression) übernommen wurde, warum konnte sich diese in der weitere Evolution
des modernen Menschen halten ?

Benerkenswert ist weiterhin, dass es nur Nachkommen mit diesem gemischten Genpool gibt, die von weiblichen modernen Mensch abstammen, das Neandertal Mitochondrium (wichtig für Energiegewinnung und auch Winterschlaf) ist beim modernen Menschen nicht vorhanden !

Aus evolutionsbiologischer Sicht konnten sich nur Genstrukturen halten, die einen Selektionsvorteil
bieten.

Für manisches Verhalten ist dieser Vorteil vorhanden, möglicherweise (ich bin mir da eigentlich sicher) führten manische Verhaltensweisen und Strukturen überhaupt erst zu dem heutigen komplexen Verhalten und seinen Sozialstrukturen, der Entwicklung von Wissenschaften beim modernen Menschen.

Immer wieder auftauchende manische Verhaltensstrukturen ermöglichten innovative Schübe, das Entstehen von anderen Religionsstrukturen, von Neugier, Lust am Denken, vielleicht auch zu neuen Kriterien für die Führung einer Gruppe, nicht mehr der am besten Jagende ist Leader, sondern die Führungsmannschaft einer sich etablierenden reliogiösen Struktur mit manischen Visionen.

Ohne bipolare Gene wären möglicherweise die Pyramiden nie gebaut worden.

Die Träger dieser Erbinformationen hatten dann immer wieder einen hohen Rang in der Gruppe
und konnten sich (trotz der Winterschlafgene) immer wieder fortpflanzen.

Die Selektionsvorteile müssen so groß sein, dass sich trotz diverser Nachteile immer wieder diese Gene durchsetzen konnten.
Ein weiterer Selektionsvorteil könnte das Sexualverhalten in manischen Phasen sein, manische Menschen wirken gesünder, aktiver, sie sind dann sexuell attraktiver und weiterhin ist der Sexualtrieb in manischen Phasen deutlich erhöht.

Aber auch die anderen in Manien auftretenden Verhaltensänderungen müssen Vorteile gebracht haben.

Eine alleinige Vererbung des nur manischen Anteils fand nicht statt, hier muss es gekoppelte verbundene Gen- und Steuerstrukturen geben, die das nicht erlauben. Auf den mit übernommen Regelkreis des Winterschlafes fand ein das Verhalten ändernder Selektionsdruck statt, Überbleibsel wären dann Depression, Lichtsteuerung von Depression, starke Gewichtsänderungen und möglicherweise auch Diabetes III und die Demenz. Trotz dieser unvollständigen Auflistung nur negativer Merkmale muss der manische Anteil so wichtig gewesen sein, dass die Genstruktur erhalten blieb.
Weiterhin blieb die jeweilige Grundstruktur der beiden Regelkreise erhalten, noch immer lösen Änderungen der Lichtverhältnisse Phasen aus und der Krankheit liegt ein rythmisches in Phasen auftretendes Verhalten zu Grunde.

Die nächste Frage wäre dann:
Warum sind eientlich nicht alle Menschen bipolar, wenn bipolare Genstrukturen  Selektionvorteile haben ?

Hier setzt dann eine Selektion über die Gruppe ein, ein Verband aus Menschen in denen zuviele
bipolare Verhaltensweisen auftauchen, hat als Gruppe mit dem hohen bipolaren Genanteil  selektive Nachteile.
Für das sichere Funktionieren der sich immer weiter verfeinernden sozialen Strukturen waren andere Eigenschaften und Verhaltensweisen wichtiger, so dass bei zuviel bipolaren Genen in der Gruppe
der Verband insgesamt eine geringere Überlebenschance hatte.
Weiterhin ist ja Bipolarität auch mit Depression, Suizid usw. gekoppelt, zu viele Menschen mit diesen Verhaltensweisen kann sich eine Gruppe ebenfalls nicht leisten und eine Gruppe mit zu vielen bipoaren Genen hat wahrscheinlich auch weniger Nachkommen.

Die beste Mischung auf lange Zeit war dann ein Genpool in dem der bipolare Komplex zwar in bestimmten Anteilen immer vorhanden war, aber nie zu groß wurde, bis sich auch hier Regelstrukturen entwickelten, die dieses Verhältnis sicher stellten.





Donnerstag, 31. Juli 2014

Sex mit dem Neandertaler

Im letzten Post habe ich versucht darzustellen, wie sich in einer über Jahrzehntausende andauernden ökologischen Anpassung an eiszeitliches Klima beim Neandertaler 2 unabhängige Regelkreise
für Winterruhe (später Depression) und sommerliches extremes Jagdverhalten (später Manie)
entwickeln konnte.

Wenn diese Theorie des Ursprunges bipolaren Verhaltens stimmt, muß es zu einem Genfluss vom Neandertaler zum modernen Menschen gekommen sein.

Bis vor ein paar Jahren schien das in der Wissenschaft sehr umstritten zu sein, neue Forschungen
weisen aber beim modernen mitteleuropäischen Menschen eindeutig Genmaterial vom Neandertaler nach.

Weiterhin werden auch Knochenfunde mittlerweile so interpretiert, dass es wahrscheinlich Mischformen gab.

In Teilen Mitteleuropas und des Nahen Ostens gab es Gegenden, in denen der Neandertaler und der moderne Mensch über längere Zeiträume am gleichen Ort lebten.

Ein Übersichtsartikel über die verschiedenen Genflüsse findet sich bei http://de.wikipedia.org/wiki/Genfluss_archaischer_Menschen_zu_Homo_sapiens

Beim vorgefundenen geflossenen Genmaterial gibt es verschiedene sehr unterschiedliche Stoffwechseleigenschaften die vom Neanderetaler in das Erbgut des modernen Menschen in der Größenordnung von wenigen Prozent geflossen sind.

Zitat von Svante Pääbo, dem Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im Jahr 2013:
 Es handelt sich dabei um einen Katalog genetischer Änderungen, die alle modernen Menschen von allen anderen lebenden und bereits ausgestorbenen Organismen unterscheiden. Ich glaube, dass unter allen Änderungen in diesem Katalog auch diejenigen versteckt sind, die für die enorme Expansion menschlicher Populationen sowie die Entwicklung menschlicher Kultur und Technologie in den letzten 100.000 Jahren verantwortlich sind.

Auch hier ist es aber nicht so, dass eindeutig die Ursachengene (die kann man im Moment nur in Teilstücken kennt ) für das Bipolare in den transferierten Genen stecken, es sind eher statistische Hinweise u. a. auf:

Fettsucht und Fettstoffwechsel
Bipolares
Haut und Pigmentunterschiede
Rote Haare 

Bemerkenswert finde ich dabei auch genetisch bedingte Fettsucht, die möglicherweise als Überbleibsel der bei den Neandertalern notwendigen Fetteinlagerung für den Winter in Teilen an den modernen Menschen weitergegeben wurde. 

Die Untersuchungen zeigten weiterhin dass diese Gene nicht bei den ursprünglichen Afrikanern vorhanden sind (hier konnte auch keine Durchmischung stattfinden) und bei diesen Afrikanern deutlich weniger bipolare Erkrankungen nach zuweisen sind.

Der eindeutige wissenschaftliche Beweis für diese Theorie steht also noch aus, ich denke hier werden die nächsten Jahre noch große Überraschungen bringen. 

Im nächsten Post werde ich das Umfeld dieses Genflusses und seine Wirkungen auf die sich dann weiter entwickelnde bipolare Erkrankung beim modernen Menschen genauer betrachten. 


Montag, 28. Juli 2014

Der bipolare Neandertaler in der Eiszeit

Die Vorläufer der Neandertaler wanderten von einem gemeinsamen Vorfahren des modernen Menschen entstammend aus Afrika in den großen Teilen Mitteleuropas und Vorderasiens ein.

Eine genaue zeitliche Zuordnung der Ausbildung des Neandertalertypus ist noch in Bewegung, möglicherweise gab es Neandertaler in Mitteleuropa schon vor ein paar Hundertausend Jahren, sicher gab es den "typischen" Neandertaler ab etwa 130.000 Jahren.

In der Zuwanderungszeit aus Afrika herrschten in Mitteleuropa noch moderate Temperaturen, in der Ausprägungszeit des Neandertalers zu seinem typischen Habitus und geänderten Verhaltensweisen war Wetter und Nahrungsvorkommen  sicher deutlich von immer wieder kommenden und gehenden Eiszeiten und allgemein niedrigeren Temperaturen geprägt.
Da die Neandertaler aber in Mitteleuropa immer wieder zu unterschiedlichsten Zeiten gefunden wurden, hat genau dort seine starke Anpassung an Klima und die Verfügbarkeit von Nahrung stattgefunden.


Typische Funde zeigen wohl relativ sicher auf, dass die Neandertaler an bestimmten Jagdplätzen immer wieder auf die in die Winterweideregionen ziehenden Bisons und Mammuts warteten.

(Auf die je nach Region auch sicher vermehrte pflanzlicher Nahrung, möglicherweise auch kochend gewonnener pflanzlicher Ernährung deuten neue Forschungsergebnisse aus südeuropäischen Regionen)

Die letzten großen Fleischportionen in denen von den Eiszeiten geprägten Regionen gab es also dann über Jahrtausende im Herbst und nur wer mit den angesammelten Fettreserven auskam, überlebte den Winter.

Hier kam es als sich anpassendes Verhalten langsam zu Selektionsvorteilen, wenn im Winter Ruhe gehalten wurde (also weniger Fett verbrannt) und wenn weiterhin im Sommer so viel wie möglich Fett durch die Jagd eingelagert werden konnte.

Die genetischen Strukturen für "Winterschlaf" sind übrigens bei der Gruppe der Primaten, zu der wir ja auch gehören, vorhanden. Auf der Insel Madagaskar gibt es eine Lemurenart bei der eigentlich ein Trockenschlaf gehalten wird, weil die Tiere während der extremen Trockenzeiten ihren Stoffwechsel herunter fahren.
Weiterhin wurde vor kurzem im menschlichem Genom 2 Schaltergene entdeckt, die in direktem Zusammenhang zu Winterschlaf und Winterruhe stehen.

Dieses "Winterschlafverhalten" ist aber nicht erlernt, sondern wird wie bei allen jahreszeitlichen oder täglichen Strukturen über eine innere Uhr gesteuert. Diese innere Uhr hat oft nicht einmal einen genau 24 h Stunden Rhytmus, sondern wird immer wieder über einen externen Takter neu gestellt.
Auslöser kann die Lichtstärke (oder auch eine Mindestdunkelheit) und die Lichtdauer sein.


Bemerkenswert ist, dass hier durch evolutionäre Anpassung nicht nur Verhalten, sondern auch innere physiologische Zustände (Fetteinlagerung, Winterschlaf, Fortpflanzung, etc...) Hormonänderungen und einzelne Regelkreise synchron mitgesteuert werden mußten.

Winterschlaf (oder Winterruhe) war unter den vorherrschenden Bedingungen ein Selektionsvorteil für den Neandertaler der überlebensnotwendig war. Ob dieser Winterschlaf in der Gruppe oder einzeln erfolgte ist unbekannt.
Wahrscheinlich halte ich aber eine Winterruhe in der sozialen Gruppe und ausserdem deutlich statistisch vermehrt bei den weiblichen Artgenossen weil das für die Weibchen zu einem Selektionsvorteil führte.


Ein hypotetisches Jahr bei den Neandertalern sah demnach wie folgt aus:

Die Gruppe befindet sich in den Sommermonaten auf der Suche nach Jagdwild und und legt sich dabei langsam Fettreserven zu. Mit dem Beginn des Winters fällt die Gruppe in Winterschlaf oder Winterruhe.
Mit steigender Tageslänge wird die Gruppe wieder aktiv und muss jetzt in relativ kurzer Zeit die Energie und Nahrungsreserven für das ganze Jahr erbeuten.
Dazu gehört ein "Hochleistungsjäger", der permanent aktiv, mit wenig Schlaf, für unsere Verhältnisse sehr mutig den Sommer verbringt.

Das war dann am Morgen keine lockere Verabredung zur Jagd, sondern eine Gruppe ständig unter Hochspannung, aufgeputschtem Stoffwechsel und Antrieb stehende Gruppe.

Zur Jagd auf Großtiere wie das Mammut paßt ein Zitat: " dass die Oberarme des Neandertalers einen überaus großen Kraftgriff ermöglichten", der war sicher auch nötig, da die Neandertaler ihre eigentlich viel zu große Beute direkt mit relativ einfachen Waffen angingen und das Fleisch möglicherweise zerlegt und transportiert werden mußte.

Bei diesen Jagden war eine erhebliche Antriebssteigerung, selbstbewußtes, angstfreies, aggressives Verhalten notwendig. Ebenso mussten die Neandertaler bis an oder über ihre Stoffwechselgrenzen belastbar sein.

Der Selektionsdruck durch die strenge Umgebung war dann irgendwann so hoch, dass nur die Gruppen überlebten, in denen die intensivste Jagd und die optimalste Winterruhe stattfand und dieses irgendwann angeborene modifizierte Verhalten wie ein Automatismus verlief.

Der Neandertaler wurde dann mit weniger Tageslicht automatisch müde, reduzierte seinen Stoffwechsel, und dann im Frühling wurde mit der ansteigenden Lichtmenge ein Schalter umgelegt
und die Jagd begann.

Für die genetische Ausprägung entstand dabei nicht ein neues oder zwei neue Gene, die komplett für die Änderungen verantwortlich waren, sondern die eigentlichen Selektionsprozesse fanden parallel
an unterschiedlichsten schon vorhandenen Genorten statt.
Bei mehreren teilweise für ganz unterschiedliche Dinge zuständigen Erbinformationen führten zufällige Mutationen bedingt durch die extreme Umgebung zu einer Evolution in Richtung:

Steuerung der innere Uhr
Nutzen von Lichtstärkeänderungen als externem Schalter
Fetteinlagerung
Antriebssteigerung
kurzfristiger Belastungssteigerung
Aggresion
Wahrnehmungssteigerung bei der Jagd
Überstarkes Selbstbewußtsein
Antriebsminderung und Winterruhe
Hormon gesteuerter Winterstoffwechsel

Dabei bildeten sich 2 getrennte mit unterschiedlichen Genen und Regelhormonen ausgestattete
jeweils von der Lichtmenge induzierte Steuerkreise für das Jagdverhalten und die Winterruhe der Neandertaler heraus.

Mit dem Anlegen dieser beiden Steuerkreise wurde nach dieser Theorie die durch Anpassung und  Selektion bedingte genetische Grundlage für Manie (Jagd) und Depression (Winterruhe) gelegt.

Eine intensive Diskussion findet in einem späteren Post statt.




Sonntag, 27. Juli 2014

Bipolares und der Neandertaler

Mit den folgenden Posts will ich versuchen das Phänomen bipolar erkrankter Menschen
einmal aus einer evolutionsbiologischen Sicht zu beleuchten.


Als selbst Betroffener mit jahrzehnte langer Krankheitserfahrung und auch als Biologe erscheint mir
eine Betrachtung und Bewertung nur nach psychologischen Kriterien als nicht ausreichend.

Einen für mich auch neuen Ansatz liefert JA. Sherman (2012) mit einer Theorie, bei dem die Entwicklung bipolarer Gene zumindestens teilweise aus einer Anpassung einer Gruppe Menschen
an eiszeitliche Klimabedingungen mit jahreszeitlicher Rythmik und an die Jahreszeiten extrem angepaßten Stoffwechsel, Winterschlaf und überhoher Aktivität bei mehr Licht in den Sommermonaten erklärt wird.

Diese Theorie würde zum ersten mal die scheinbar nur schlecht zusammen zu fügenden auffälligen Verhaltensweisen bipolar erkrankter Menschen mit ihrer Eigendynamik, ihren zeitlichen Abfolgen, der Lichtempfindlickeit (die ersten Lichtstrahlen im Frühling können eine Manie auslösen), der Wechselwirkung mit der inneren Uhr (auch Reisen mit Zeitverschiebung können urplötzlich neue Phasen auslösen) und den (fast nicht steuerbaren) Verhaltensänderungen  in der Manie und der Depression aus einer ganz anderen Perspektive erklären.

Die extrem gegensätzlichen (bipolaren) Verhaltensweisen wären demnach nichts anderes als
genetisch weitergegebene Relikte einer stark das Verhalten prägenden Anpassung an extreme Klimabedingungen, dem heutigen Begriff Manie entspräche ein dem kurzen Sommer angepaßtes
gefährliches auf Beute gehen und der Depression eine Winterruhe oder ein Winterschlaf.


Nach der oben genannten Theorie wäre diese menschliche Gruppe der Neandertaler.


In den folgenden Posts:

werde ich aufzeigen wie sich eine solche vererbare Verhaltensweise (Winterschlaf ist mittlerweile auch bei Primaten bekannt !)bei den Neandertalern entwickeln konnte.

Den erst kürzlich nachgewiesenen  Genfluß vom Neandertaler zum modernen Menschen diskutieren.

Der Frage nachgehen warum sich mögliche zugeflossene bipolare Gene beim modernen Menschen halten konnten und nicht verschwunden sind.

Das heute beobachtbare bipolare Verhalten mit seinen teils widersprüchlichen sehr unterschiedlichen Auffälligkeiten der angenommen Verhaltensweise des Neandertalers gegenüber stellen, aber auch sich ergebende Ähnlichkeiten und Zusammenhänge erörtern.

Widersprüche und Gegenargumente (woher kommt dann die Psychose, oder plötzliche starke Emotion als Phasenauslöser) auflisten und diskutieren.
 
Einen anderen Ansatz zur Selbstbeobachtung und Stellung der bipolaren Erkrankung in Medizin, Therapie und Gesellschaft mit einem erweiterten Blickwinkel aufzeigen.