Donnerstag, 31. Juli 2014

Sex mit dem Neandertaler

Im letzten Post habe ich versucht darzustellen, wie sich in einer über Jahrzehntausende andauernden ökologischen Anpassung an eiszeitliches Klima beim Neandertaler 2 unabhängige Regelkreise
für Winterruhe (später Depression) und sommerliches extremes Jagdverhalten (später Manie)
entwickeln konnte.

Wenn diese Theorie des Ursprunges bipolaren Verhaltens stimmt, muß es zu einem Genfluss vom Neandertaler zum modernen Menschen gekommen sein.

Bis vor ein paar Jahren schien das in der Wissenschaft sehr umstritten zu sein, neue Forschungen
weisen aber beim modernen mitteleuropäischen Menschen eindeutig Genmaterial vom Neandertaler nach.

Weiterhin werden auch Knochenfunde mittlerweile so interpretiert, dass es wahrscheinlich Mischformen gab.

In Teilen Mitteleuropas und des Nahen Ostens gab es Gegenden, in denen der Neandertaler und der moderne Mensch über längere Zeiträume am gleichen Ort lebten.

Ein Übersichtsartikel über die verschiedenen Genflüsse findet sich bei http://de.wikipedia.org/wiki/Genfluss_archaischer_Menschen_zu_Homo_sapiens

Beim vorgefundenen geflossenen Genmaterial gibt es verschiedene sehr unterschiedliche Stoffwechseleigenschaften die vom Neanderetaler in das Erbgut des modernen Menschen in der Größenordnung von wenigen Prozent geflossen sind.

Zitat von Svante Pääbo, dem Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie im Jahr 2013:
 Es handelt sich dabei um einen Katalog genetischer Änderungen, die alle modernen Menschen von allen anderen lebenden und bereits ausgestorbenen Organismen unterscheiden. Ich glaube, dass unter allen Änderungen in diesem Katalog auch diejenigen versteckt sind, die für die enorme Expansion menschlicher Populationen sowie die Entwicklung menschlicher Kultur und Technologie in den letzten 100.000 Jahren verantwortlich sind.

Auch hier ist es aber nicht so, dass eindeutig die Ursachengene (die kann man im Moment nur in Teilstücken kennt ) für das Bipolare in den transferierten Genen stecken, es sind eher statistische Hinweise u. a. auf:

Fettsucht und Fettstoffwechsel
Bipolares
Haut und Pigmentunterschiede
Rote Haare 

Bemerkenswert finde ich dabei auch genetisch bedingte Fettsucht, die möglicherweise als Überbleibsel der bei den Neandertalern notwendigen Fetteinlagerung für den Winter in Teilen an den modernen Menschen weitergegeben wurde. 

Die Untersuchungen zeigten weiterhin dass diese Gene nicht bei den ursprünglichen Afrikanern vorhanden sind (hier konnte auch keine Durchmischung stattfinden) und bei diesen Afrikanern deutlich weniger bipolare Erkrankungen nach zuweisen sind.

Der eindeutige wissenschaftliche Beweis für diese Theorie steht also noch aus, ich denke hier werden die nächsten Jahre noch große Überraschungen bringen. 

Im nächsten Post werde ich das Umfeld dieses Genflusses und seine Wirkungen auf die sich dann weiter entwickelnde bipolare Erkrankung beim modernen Menschen genauer betrachten. 


Montag, 28. Juli 2014

Der bipolare Neandertaler in der Eiszeit

Die Vorläufer der Neandertaler wanderten von einem gemeinsamen Vorfahren des modernen Menschen entstammend aus Afrika in den großen Teilen Mitteleuropas und Vorderasiens ein.

Eine genaue zeitliche Zuordnung der Ausbildung des Neandertalertypus ist noch in Bewegung, möglicherweise gab es Neandertaler in Mitteleuropa schon vor ein paar Hundertausend Jahren, sicher gab es den "typischen" Neandertaler ab etwa 130.000 Jahren.

In der Zuwanderungszeit aus Afrika herrschten in Mitteleuropa noch moderate Temperaturen, in der Ausprägungszeit des Neandertalers zu seinem typischen Habitus und geänderten Verhaltensweisen war Wetter und Nahrungsvorkommen  sicher deutlich von immer wieder kommenden und gehenden Eiszeiten und allgemein niedrigeren Temperaturen geprägt.
Da die Neandertaler aber in Mitteleuropa immer wieder zu unterschiedlichsten Zeiten gefunden wurden, hat genau dort seine starke Anpassung an Klima und die Verfügbarkeit von Nahrung stattgefunden.


Typische Funde zeigen wohl relativ sicher auf, dass die Neandertaler an bestimmten Jagdplätzen immer wieder auf die in die Winterweideregionen ziehenden Bisons und Mammuts warteten.

(Auf die je nach Region auch sicher vermehrte pflanzlicher Nahrung, möglicherweise auch kochend gewonnener pflanzlicher Ernährung deuten neue Forschungsergebnisse aus südeuropäischen Regionen)

Die letzten großen Fleischportionen in denen von den Eiszeiten geprägten Regionen gab es also dann über Jahrtausende im Herbst und nur wer mit den angesammelten Fettreserven auskam, überlebte den Winter.

Hier kam es als sich anpassendes Verhalten langsam zu Selektionsvorteilen, wenn im Winter Ruhe gehalten wurde (also weniger Fett verbrannt) und wenn weiterhin im Sommer so viel wie möglich Fett durch die Jagd eingelagert werden konnte.

Die genetischen Strukturen für "Winterschlaf" sind übrigens bei der Gruppe der Primaten, zu der wir ja auch gehören, vorhanden. Auf der Insel Madagaskar gibt es eine Lemurenart bei der eigentlich ein Trockenschlaf gehalten wird, weil die Tiere während der extremen Trockenzeiten ihren Stoffwechsel herunter fahren.
Weiterhin wurde vor kurzem im menschlichem Genom 2 Schaltergene entdeckt, die in direktem Zusammenhang zu Winterschlaf und Winterruhe stehen.

Dieses "Winterschlafverhalten" ist aber nicht erlernt, sondern wird wie bei allen jahreszeitlichen oder täglichen Strukturen über eine innere Uhr gesteuert. Diese innere Uhr hat oft nicht einmal einen genau 24 h Stunden Rhytmus, sondern wird immer wieder über einen externen Takter neu gestellt.
Auslöser kann die Lichtstärke (oder auch eine Mindestdunkelheit) und die Lichtdauer sein.


Bemerkenswert ist, dass hier durch evolutionäre Anpassung nicht nur Verhalten, sondern auch innere physiologische Zustände (Fetteinlagerung, Winterschlaf, Fortpflanzung, etc...) Hormonänderungen und einzelne Regelkreise synchron mitgesteuert werden mußten.

Winterschlaf (oder Winterruhe) war unter den vorherrschenden Bedingungen ein Selektionsvorteil für den Neandertaler der überlebensnotwendig war. Ob dieser Winterschlaf in der Gruppe oder einzeln erfolgte ist unbekannt.
Wahrscheinlich halte ich aber eine Winterruhe in der sozialen Gruppe und ausserdem deutlich statistisch vermehrt bei den weiblichen Artgenossen weil das für die Weibchen zu einem Selektionsvorteil führte.


Ein hypotetisches Jahr bei den Neandertalern sah demnach wie folgt aus:

Die Gruppe befindet sich in den Sommermonaten auf der Suche nach Jagdwild und und legt sich dabei langsam Fettreserven zu. Mit dem Beginn des Winters fällt die Gruppe in Winterschlaf oder Winterruhe.
Mit steigender Tageslänge wird die Gruppe wieder aktiv und muss jetzt in relativ kurzer Zeit die Energie und Nahrungsreserven für das ganze Jahr erbeuten.
Dazu gehört ein "Hochleistungsjäger", der permanent aktiv, mit wenig Schlaf, für unsere Verhältnisse sehr mutig den Sommer verbringt.

Das war dann am Morgen keine lockere Verabredung zur Jagd, sondern eine Gruppe ständig unter Hochspannung, aufgeputschtem Stoffwechsel und Antrieb stehende Gruppe.

Zur Jagd auf Großtiere wie das Mammut paßt ein Zitat: " dass die Oberarme des Neandertalers einen überaus großen Kraftgriff ermöglichten", der war sicher auch nötig, da die Neandertaler ihre eigentlich viel zu große Beute direkt mit relativ einfachen Waffen angingen und das Fleisch möglicherweise zerlegt und transportiert werden mußte.

Bei diesen Jagden war eine erhebliche Antriebssteigerung, selbstbewußtes, angstfreies, aggressives Verhalten notwendig. Ebenso mussten die Neandertaler bis an oder über ihre Stoffwechselgrenzen belastbar sein.

Der Selektionsdruck durch die strenge Umgebung war dann irgendwann so hoch, dass nur die Gruppen überlebten, in denen die intensivste Jagd und die optimalste Winterruhe stattfand und dieses irgendwann angeborene modifizierte Verhalten wie ein Automatismus verlief.

Der Neandertaler wurde dann mit weniger Tageslicht automatisch müde, reduzierte seinen Stoffwechsel, und dann im Frühling wurde mit der ansteigenden Lichtmenge ein Schalter umgelegt
und die Jagd begann.

Für die genetische Ausprägung entstand dabei nicht ein neues oder zwei neue Gene, die komplett für die Änderungen verantwortlich waren, sondern die eigentlichen Selektionsprozesse fanden parallel
an unterschiedlichsten schon vorhandenen Genorten statt.
Bei mehreren teilweise für ganz unterschiedliche Dinge zuständigen Erbinformationen führten zufällige Mutationen bedingt durch die extreme Umgebung zu einer Evolution in Richtung:

Steuerung der innere Uhr
Nutzen von Lichtstärkeänderungen als externem Schalter
Fetteinlagerung
Antriebssteigerung
kurzfristiger Belastungssteigerung
Aggresion
Wahrnehmungssteigerung bei der Jagd
Überstarkes Selbstbewußtsein
Antriebsminderung und Winterruhe
Hormon gesteuerter Winterstoffwechsel

Dabei bildeten sich 2 getrennte mit unterschiedlichen Genen und Regelhormonen ausgestattete
jeweils von der Lichtmenge induzierte Steuerkreise für das Jagdverhalten und die Winterruhe der Neandertaler heraus.

Mit dem Anlegen dieser beiden Steuerkreise wurde nach dieser Theorie die durch Anpassung und  Selektion bedingte genetische Grundlage für Manie (Jagd) und Depression (Winterruhe) gelegt.

Eine intensive Diskussion findet in einem späteren Post statt.




Sonntag, 27. Juli 2014

Bipolares und der Neandertaler

Mit den folgenden Posts will ich versuchen das Phänomen bipolar erkrankter Menschen
einmal aus einer evolutionsbiologischen Sicht zu beleuchten.


Als selbst Betroffener mit jahrzehnte langer Krankheitserfahrung und auch als Biologe erscheint mir
eine Betrachtung und Bewertung nur nach psychologischen Kriterien als nicht ausreichend.

Einen für mich auch neuen Ansatz liefert JA. Sherman (2012) mit einer Theorie, bei dem die Entwicklung bipolarer Gene zumindestens teilweise aus einer Anpassung einer Gruppe Menschen
an eiszeitliche Klimabedingungen mit jahreszeitlicher Rythmik und an die Jahreszeiten extrem angepaßten Stoffwechsel, Winterschlaf und überhoher Aktivität bei mehr Licht in den Sommermonaten erklärt wird.

Diese Theorie würde zum ersten mal die scheinbar nur schlecht zusammen zu fügenden auffälligen Verhaltensweisen bipolar erkrankter Menschen mit ihrer Eigendynamik, ihren zeitlichen Abfolgen, der Lichtempfindlickeit (die ersten Lichtstrahlen im Frühling können eine Manie auslösen), der Wechselwirkung mit der inneren Uhr (auch Reisen mit Zeitverschiebung können urplötzlich neue Phasen auslösen) und den (fast nicht steuerbaren) Verhaltensänderungen  in der Manie und der Depression aus einer ganz anderen Perspektive erklären.

Die extrem gegensätzlichen (bipolaren) Verhaltensweisen wären demnach nichts anderes als
genetisch weitergegebene Relikte einer stark das Verhalten prägenden Anpassung an extreme Klimabedingungen, dem heutigen Begriff Manie entspräche ein dem kurzen Sommer angepaßtes
gefährliches auf Beute gehen und der Depression eine Winterruhe oder ein Winterschlaf.


Nach der oben genannten Theorie wäre diese menschliche Gruppe der Neandertaler.


In den folgenden Posts:

werde ich aufzeigen wie sich eine solche vererbare Verhaltensweise (Winterschlaf ist mittlerweile auch bei Primaten bekannt !)bei den Neandertalern entwickeln konnte.

Den erst kürzlich nachgewiesenen  Genfluß vom Neandertaler zum modernen Menschen diskutieren.

Der Frage nachgehen warum sich mögliche zugeflossene bipolare Gene beim modernen Menschen halten konnten und nicht verschwunden sind.

Das heute beobachtbare bipolare Verhalten mit seinen teils widersprüchlichen sehr unterschiedlichen Auffälligkeiten der angenommen Verhaltensweise des Neandertalers gegenüber stellen, aber auch sich ergebende Ähnlichkeiten und Zusammenhänge erörtern.

Widersprüche und Gegenargumente (woher kommt dann die Psychose, oder plötzliche starke Emotion als Phasenauslöser) auflisten und diskutieren.
 
Einen anderen Ansatz zur Selbstbeobachtung und Stellung der bipolaren Erkrankung in Medizin, Therapie und Gesellschaft mit einem erweiterten Blickwinkel aufzeigen.